Rede zur Eröffnung des Projekts „KunstVerwaltung“ in Mainz am 27.09.2001 Teil I: Stadthaus
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Ich widme diese Einführung einem Mann, der uns nicht mehr zuhören kann, aber vielleicht ja doch...
Nagelprobe: Kunst und Verwaltung
„Projekt KunstVerwaltung“ steht auf der Einladungskarte, das hört sich nun weitaus programmatischer an als es eigentlich ist. Aber schön, dass die Verantwortlichen auf die Idee kamen, diese beiden zufällig gleichzeitig entstandenen Bildinstallationen gemeinsam vorzustellen. Es wäre zu wünschen, dass solche ungewöhnlichen Präsentationsformen, hier, im Landtag und vielleicht auch in anderen Häusern, mit anderen Künstlern fortgesetzt werden. Der Aufwand ist erheblich, allerdings nicht finanziell, denn - das sei dem Bund der Steuerzahler und anderen Kultursparern aller Parteien gleich zu Anfang gesagt: Es handelt sich um eine reine Goodwill-Aktion der Künstlerin. Die ausgestellten Bilder sind weder erworben noch gemietet worden, und nach einiger Zeit gehen sie wieder an Christiane Schauder zurück. Umso schöner dieser Rahmen der Doppelausstellung, verbunden noch mit etwas Stadtgeschichte. Die Verantwortlichen haben wirklich getan, was sie konnten, dafür auch im Namen meiner Frau Christiane herzlichen Dank. Die „Nagelprobe“ wurde auch bestanden, keine unwichtige Frage in Gebäuden, in denen manchen die Wände wichtiger sind als die Bilder.
Zweiteilig ist die Veranstaltung, und zweiteilig werde ich auch heute Abend sprechen - ein Freund aus England nannte das „schizophrenic exhibition“, an sich eine schöne Idee, aber wir machen das hier nacheinander und nicht gleichzeitig, und ich hoffe, beide Orte, beide Erfahrungen und beide Redeteile werden sich für Sie harmonisch zusammenfügen.
Hier im Stadthaus soll es zunächst um die Arbeitsweise der Künstlerin gehen, und im Landtag möchte ich Sie später mit einigen Gedanken zum Verhältnis von Kunst und Raum, sehr psychologisch gesehen, beschäftigen.
Werke aus verschiedenen Arbeitsphasen
In den Räumen der Sozialdezernentin hier im fünften Stock haben Sie die seltene Gelegenheit, Werke der Malerin aus verschiedenen Arbeitsphasen zu sehen. Ich sage „selten“, weil Künstler in aktuellen Ausstellungen in aller Regel nur ihre neuesten Werke zeigen, zum guten Teil sogar speziell auf Ausstellungen hin arbeiten. Als Christiane Schauder, Malu Dreyer und ihre Mitarbeiterinnen im Atelier in der Waggonfabrik gemeinsam die Bilder aussuchten, kam es zu einer Mischung aus älteren und neueren Werken. Auf den Schildchen oben können Sie übrigens die Entstehungszeit jeweils nachlesen.
Das früheste Bild stammt noch aus einer Zeit der mehr gestischen Malweise und der ersten Abstraktion. Es ist das kleinere der beiden Gemälde in Frau Dreyers Büro. Christiane Schauder hat sich in ihrer frühesten Zeit mit expressiven Figurenbildern beschäftigt, dann etwa um 1987 die Bindung an den Gegenstand aufgegeben und eine Weile mit einem klassischen Farbenrepertoire gearbeitet - wir sprechen übrigens noch von Bildern in Acryl. Es folgte eine Zeit der Brechung dieser Grundfarben ins Grünliche, die Malerei wurde flächiger, und die Kontur trat zugunsten der Modulation zurück. Eine große Werkgruppe um 1992 - dafür sehen Sie ein Beispiel im Besprechungsraum - besteht aus großen Bildern in Blautönen von starker Leuchtkraft und Tiefe. Das hat übrigens auch durchaus etwas mit den räumlichen Arbeitsmöglichkeiten zu tun, mal nebenbei gesagt. Das einjährige Arbeitsstipendium in Soest / Westfalen fällt in diese Zeit.
Immer schon gaben sich Christiane Schauders Gemälde als Ergebnisse kraftvoller körperlicher Arbeit, die den Bewegungsablauf noch spüren ließen. Zur teils heftigen, teils punktuell tupfenden Pinselgeste kommen Tropf- und Schüttspuren, es wird gestrichen, gewischt, manchmal auch wieder abgeschliffen. Die Anwendung von stark in Wasser verdünnten Farben auf der Leinwand erzeugt Effekte von luftiger Durchsichtigkeit. All diese Verfahren, in der der Künstlerin eigenen Spontaneität und Geschwindigkeit, sind nur mit den schnell trocknenden Acrylfarben möglich. Dazu kommen weitere Materialien wie z. B. Kreiden. In dieser Zeit entwickelte die Malerin ihre Lasurtechnik. Das Bildgeschehen - ein Hilfsbegriff - spielt sich nicht mehr nebeneinander auf der Fläche ab, sondern in der Tiefe des Bildraums, bewirkt durch Überlagerungen von teils durchsichtigen, teils opaken Farbschichten.
Enkaustik
Genau diese Arbeitsweise kam dann nach der Entdeckung der Enkaustik voll zum Tragen, einer Technik, die seit Jahren ein Markenzeichen der Künstlerin ist. Bei dieser schon in der Antike erfundenen Methode werden Farbpigmente, also Farbpulver, in heißem, flüssigem Wachs gebunden und aufgetragen, wobei die Schicht sofort erkaltet und fest wird. Das Ergebnis ist ein Tiefenraum aus zahllosen Schichten, die sich einerseits durchscheinend überlagern, andererseits aber auch eine pastose Struktur ergeben.
Enkaustik-Arbeiten sehen Sie hier und im Landtag eine ganze Menge. Recht bald bemerkte die Malerin, dass zur zuverlässigen Anwendung dieser Technik ein solider Bildgrund erforderlich ist. Auf Keilrahmen gespannte Leinwand ist nicht der ideale Malgrund. Es werden also mittlerweile Holzkästen gebaut, diese werden mit Leinwand überzogen, und darauf wird gearbeitet, in der Regel mit einer Farbstruktur aus Acryl, die dann je nach Schichtung und Dichte der Wachsschichten mehr oder weniger durchscheint.
Der Kasten ist auch Körper. Die Bilder von Christiane Schauder sind seit langem nicht mehr flächig, benötigen auch keine Rahmen, sondern bilden autonome Farbkörper, die ohne besondere Abgrenzung oder weitere Bildträger an der Wand hängen. Noch einmal zur „Nagelprobe“: Ihre optimale Präsentation erreichen sie nur - wie hier und im Landtag -, wenn sie direkt ohne sichtbare Befestigung wie Ketten oder Seile an den Wänden sitzen. Ob der Ausdruck „Bild“ dann noch berechtigt ist, sei dahingestellt.
Bildinstallationen
Wir benutzten in der Einladung aber den Ausdruck „Bildinstallationen“ - und damit ist gemeint, dass die genannten Farbkörper in jeweils einer auf den Raum abgestimmten Struktur arrangiert werden. Sie sehen das vor allem im Landtag. Möglich und notwendig wird dies durch eine weitere hervorstechende Eigenschaft der Arbeiten: die Modul-Bauweise, möchte ich es einmal nennen. Begonnen hat alles mit der Teilung des Bildfeldes. Die Zweiteilung eines Bildgrundes, wenn sie auch ganz praktische Vorteile mit sich bringt, war für Christiane Schauder immer auch Anlass zum Experiment. Die Nahtstelle zwischen den Bildteilen oder der Zwischenraum - sie sind als prägendes, auffallendes Element zu bearbeiten, d. h. entweder zu übergehen, zu betonen oder in die Struktur einzubeziehen.
Sie werden bemerken, wie die Malerin in den letzten Arbeiten auch mit diesen Zwischenräumen spielt, sie variiert und dadurch Bewegung und Spannung auf einer Bildwand schafft. Es geht um Reihungen und Abfolgen verschieden großer Bildflächen, bisweilen auch um die Möglichkeit, die Anordnung der Einzelteile zu verändern. Wenn dazu noch - auch dies eine neuere Entwicklung - die Kontur in Form von Zeichen auf den Bildelementen wiederkehrt, haben wir es mit alphabetischen Phänomenen zu tun - so der Titel mancher Bildfolgen. Und die Einbeziehung von Schrift ist dann ein weiterer Schritt: Manche von Ihnen kennen vielleicht die Bildgedichte der Malerin zu Texten von Gertrude Stein.
Eigentlich erscheint es logisch, dass insbesondere die Modultechnik Christiane Schauders und ihre Konzentration auf Bildräume und Tiefenschichten irgendwann zu einer Herausforderung durch reale architektonische Räume führte. Jeder Künstler versucht natürlich, allein durch die Auswahl und Platzierung der Werke auf den Raum Bezug zu nehmen. Die Künstlerin hat dies mehrfach auch sehr extrem - im Sinne der Malerei - unternommen. Ich erinnere mich etwa an eine speziell auf einen Ausstellungsraum im alten Rathaus Ingelheim zugeschnittene Bildfolge innerhalb von „arthouse“ oder auch an die Installation „Transprojektionen“ zur Eröffnung des Kultursommers 1996, bei der in einer Blackbox Dias auf die großformatigen Bilder der Malerin projiziert wurden.
Es sei als biografische Information eingeflochten, dass die Künstlerin sich in den achtziger Jahren ihr Geld teilweise durch Mitarbeit an Restaurierungsvorhaben verdiente. Sie wirkte z. B. tatkräftig an der Wiederherstellung der Kapelle in der Maria-Ward-Schule mit. Die Arbeit an raumbezogenen Gemälden einerseits und das Abtragen, Freilegen, Wiederherstellen und Übermalen vieler Farbschichten andererseits ist ihr sicherlich auch von daher beschäftigt.
Wir haben bei Ausstellungseröffnungen schon verschiedentlich über den Begriff des autonomen Kunstwerks gesprochen. Autonom bedeutet in diesem Fall Unabhängigkeit von Bildinhalten, also Abbildungseigenschaften. Die Bildinstallation ist neue, eigene Realität und verweist nicht auf eine dritte, „bedeutet“ also nichts. Christiane Schauder spricht am liebsten von „gegenstandsfreien“ Gemälden. Autonomie des Kunstwerks, und das können wir an den beiden Präsentationen sehr konkret beobachten, bedeutet aber nicht „Beziehungslosigkeit“. Die Beziehungen zum Raum, zu Räumen, zur Umgebung und damit auch zur Welt, in der wir leben und arbeiten, zu unserem Alltag, ist immer gegeben. Wie sich diese Beziehung gestaltet, ist spannend zu untersuchen, aber darüber sprechen wir dann im zweiten Teil. Bis später, vielen Dank einstweilen.
Günter Minas Rede zur Eröffnung des Projekts „KunstVerwaltung“ in Mainz am 27.09.2001 Teil II: Landtag
Meine Damen und Herren,
es würde mich schon sehr reizen, dieses Thema des Verhältnisses zwischen Kunst und Verwaltung noch etwas weiter zu analysieren und dabei vielleicht auch provokant auf die Spitze zu treiben, denn viele von uns, und ich auch, haben da ihre Erfahrungen. Aber die bei diesem Projekt im Stadthaus und hier im Landtag beteiligten Verwalter und Politiker sind in der Regel mit der Kunst nicht direkt befasst, sondern haben sich ihrer aus freien Stücken und Liebhaberei angenommen, sich dabei also über ihre Pflichtaufgaben hinaus engagiert.
Sie verschaffen damit uns heute Abend die Chance zum Besuch einer ungewöhnlichen Kunstpräsentation, bieten den hier arbeitenden Menschen und den Besuchern des Hauses für lange Zeit eine unerwartete Kunsterfahrung an – und sie haben damit natürlich auch sich selbst ein Geschenk gemacht. Das halte ich für ehrenwert – das mache ich auch manchmal.
Denn wer hat vorgeschrieben, dass Gebäude der öffentlichen Verwaltung steril, neutral, kalt und unpersönlich auszusehen haben?
„Kunst am Bau“
Kunst ist fast immer auch „Kunst am Bau“, denn Kunstwerke sind nicht im luftleeren Raum präsentierbar. Sie benötigen architektonische Räume als Basis und Hintergrund, entwickeln schon während ihrer Entstehung eine Beziehung zur Umgebung des Ateliers, sind in ihrer Wirkung abhängig von Licht, Farben, Möblierung, Raumvolumen, Perspektiven usw. usf., wie sie von der Architektur und Innenarchitektur definiert werden. Dabei liefert die Architektur den Rahmen, die „Immobilie“, während das Kunstwerk das mobile, bewegliche Objekt ist, das da hineingetragen wird.
Aber es geht ja hier nur zum Teil um das Zeigen von Malerei im Sinne einer Kunstausstellung wie etwa regelmäßig im Foyer dieses Hauses. Vor allem die hier realisierte Installation ist ein aktiver Eingriff der Kunst in das Gebäude – ob auch in die Stimmung und Effizienz der dahinterliegenden Verwaltung, wird man abwarten müssen, falls man es je erfährt...
Das heißt, das Kunstwerk ist nicht nur abhängig von der architektonischen Struktur, sondern beeinflusst sie ihrerseits. Und dieses Wechselspiel, nämlich jenes zwischen Kunst und Raum, ist das interessantere Thema, ob die Räume nun einer städtischen oder Landesverwaltung dienen, einem Unternehmen oder irgendwelchen anderen Zwecken.
Bevor ich hier noch einmal auf die spezifische Arbeit von Christiane Schauder eingehe, möchte ich das Feld abstecken, auf dem wir uns hier befinden.
Private und öffentliche Räume
Menschen tendieren dazu, sich ihre privaten Räume zu definieren, d. h. sie von anderen, ihnen nicht gehörenden Räumen abzugrenzen. Sie haben das Bedürfnis, den anderen und sich selbst zu zeigen: Dies hier ist mein Raum, mein Reich. Das ist einerseits Revierverhalten, aber auch der urtümliche Wunsch nach Gestaltung der engsten Umgebung, Nestbau-Verhalten, wenn man so will. Ob es sich um die Einrichtung der eigenen Wohnung, die Strandburg, den Wohnwagen-Standplatz, den Schrebergarten, das Krankenzimmer oder die Gefängniszelle handelt: Durch mehr oder weniger große Eingriffe, Veränderungen und teilweise die kleinsten Zutaten versucht der Mensch sich das Gefühl der „eigenen Umgebung“ zu verschaffen, sich heimisch zu machen. Und das gilt nicht nur für die Behausungen, sondern für alle Plätze, an denen man sich länger aufhält, z. B. den Arbeitsplatz.
Die Möglichkeiten dazu sind je nach Aufenthaltsort unterschiedlich groß, und sie sind durch formale Vorschrift oder allgemeine Übereinkunft genau definiert. Je mehr Möglichkeiten zur Gestaltung ich habe, desto persönlicher, intimer, näher zu mir ist ein Raum. Die Büroangestellten der Häuser, in denen wir uns heute befinden, wissen ganz genau, wie weit sie mit der persönlichen Gestaltung gehen dürfen: Ob außer dem Familienfoto auf dem Schreibtisch und der Postkarte aus dem Urlaub der Kollegen auch z. B. ein Poster oder eine der so beliebten Karikaturen an der Wand erlaubt ist. Ganz zu schweigen von den Pflanzen, von Kakteen über Fingerpalmen bis zum Benjaminus.
Und jetzt kommt die Kunst dazu, und zwar einmal nicht der reproduzierte Dali oder van Gogh aus dem Kaufhaus, sondern etwas Echtes, wobei man die Künstlerin sogar persönlich kennt, ihr Atelier besuchen und mit ihr über die Werke sprechen kann. Kunst ist auch in der Lage, und zwar ganz intensiv, den persönlichen Lebensraum zu bestimmen. Ich behaupte das nicht ohne Grund, denn ganz abgesehen von der Theorie – die diese Frage übrigens nie wirklich untersucht hat – habe ich immer wieder aus nächster Nähe beobachten können, was da passiert, wenn man Kunst nicht nur in Museen und Galerien an sich vorbeiziehen lässt, sondern sie sich in die eigenen vier Wände holt.
Der Erwerb eines Bildes verläuft – psychologisch gesehen – durchaus dramatisch. Das ist – vor allem beim ersten Mal und wenn es sich um ein großes, unübersehbares Bild handelt – wie ein erotisches Abenteuer. Mit dem Unterschied, dass man dieses Abenteuer mit dem eigenen Lebensgefährten teilen kann, teilen sollte, und dass man dieses Abenteuer auch ganz öffentlich ausleben kann. Wobei man sich wie bei der Liebe auch bisweilen für die Wahl dieses Lebenspartners Kunstwerk rechtfertigen muss.
Viele von Ihnen wissen, dass Christiane Schauder und ich mit dieser Begegnung zwischen Kunstwerken, Künstlern und Lebensräumen und ihren Bewohnern seit einigen Jahren immer wieder experimentieren, nämlich in der Aktion „...3x klingeln!“, die außer ihrer Funktion als ungewöhnliche Kunstausstellung auch und nicht zuletzt diese soziale und psychologische Komponente hat.
Nun geht es heute Abend nicht um den ganz intimen Lebensraum, aber doch um Räume, in denen die Menschen eine große Zeit ihres Lebens verbringen. Die Einzelnen standen zwar nicht vor der Entscheidung, ein Kunstwerk für das eigene Heim zu kaufen, aber sie entschieden sich für eine Veränderung in ihrer täglichen Arbeitsumgebung, für geraume Zeit.
Auch hier – in beiden beteiligten Häusern – hat sich bei den Menschen etwas getan. Das war spannend, das war für die meisten eine ganz neue Erfahrung, sorgte für Überraschungen und unerwartete Gesprächsthemen. Ich kann Ihnen das nur mittelbar wiedergeben, Sie sollten dazu die Bewohner dieser Räume selbst befragen: Frau Kauth, Frau Exner, Frau Schinnerer, Frau Jung und Frau Dreyer im Stadthaus, oder Herrn Wagner und alle hier in der Landtagsverwaltung unmittelbar Betroffenen.
Das eigene Nest
Kehren wir noch einmal zum Thema der Räume zurück. Ich sprach über das ganz eigene Nest der Wohnung und im nächsten Schritt über das eigene Büro, wie etwa im Sozialdezernat. Hier nun sind wir noch etwas öffentlicher geworden. Dieses Foyer und Treppenhaus hat zwar keinen regelrechten Publikumsverkehr, aber ist auf der anderen Seite auch kein Privatraum. Während der Gestaltungswille von vielen an der eigenen Bürotür endet, von innen gesehen, haben wir hier eines der wenigen Beispiele in der Stadt, bei denen die Verantwortlichen sich auch um solche Verkehrs- und Erschließungsräume Gedanken gemacht haben, provoziert natürlich von der kunstsinnigen Innenarchitektin. Wie viele unserer Verwaltungsgebäude strömen nichts als Kälte, Anonymität und den Charme von Kasernenfluren aus?
Übrigens - das werden viele von Ihnen natürlich wissen - die farbliche Abstimmung zwischen Möblierung und Malerei ist nicht per Auftrag hergestellt, sondern die Malerin, von der man halt weiß, in welchen Farben sie momentan arbeitet, ist bewusst für diese räumliche Gesamtkonzeption von der Architektin vorgeschlagen worden.
Auch mit so einem halböffentlichen Raum identifizieren sich die Mitarbeiter der Abteilung. Man denkt dann nicht mehr „mein“ Büro, aber „unser“ Foyer. Und auch hier habe ich aus Äußerungen der Beteiligten gehört, dass man sich gern in diesem Raum aufhält, dass Kollegen aus anderen Bereichen des Hauses zum Gucken kommen, und dass auf jeden Fall etwas passiert.
Um den Bogen abzurunden: Der nächste Schritt wären tatsächlich öffentlich zugängliche, d. h. allen offene Gebäude. Auch dafür gibt es in der Arbeit von Christiane Schauder ein aktuelles Beispiel, ebenfalls in diesem Jahr realisiert: Die Türengestaltung im Haus des Handwerks, in der ehemaligen Lampenfabrik. Diese vierte Variante hätte man, wenn es die Zeit erlaubt hätte, durchaus in diesen Rundgang einbeziehen können. Allen, die den Bau noch nicht kennen, empfehle ich eine Besichtigung quasi als Fortsetzung der heutigen Veranstaltung. Sie werden dort im Lichthof 32 in unterschiedlichen Farbtönen gefasste Türen vorfinden, verteilt auf vier Etagen, die gemeinsam etwas wie eines der mehrteiligen Bilder der Malerin ergeben, in der Gesamtsicht von einem gegenüberliegenden Standpunkt aus.
Interessanterweise haben die Türbilder aber auch eine weitere Dimension. Zur anderen Seite hin sorgen sie nämlich für eine starke Farbstimmung in jeweils einem Büro, d. h. in einem engeren, intimeren Rahmen, sichtbar für nur einen oder wenige Mitarbeiter. Die Türen, die alle einzeln von der Malerin mit modulierten, mehrschichtigen Farbflächen belegt wurden, ermöglichen dort also eine Doppelnatur des Bildes. Die individuelle Raumgestaltung führt gleichzeitig in der Gesamtsicht zu einem gemeinsamen, vielfarbigen Bild. Das klingt fast wie eine Firmenphilosophie, warum auch nicht? Auch dort übrigens hat der Architekt, in diesem Falle Sever Severain, die Idee zu einer Beauftragung der Künstlerin gehabt.
Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass es weitere raumbezogene mehrteilige Bildinstallationen von Christiane Schauder in Mainz und anderswo gibt. Zugänglich sind z. B. Räumlichkeiten im Hyatt Regency Hotel. Aber auch für neugestaltete Privathäuser hat die Malerin Bildwände entworfen und ausgeführt.
Noch ein Blick in den ganz offenen öffentlichen Raum, d. h. das Gebiet, für das der Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“ im engeren Sinne gebraucht wird, also Freiflächen, Straßen, Plätze - Kunst im Außenraum. Christiane Schauder ist Malerin und hat sich - bis auf die Beteiligung an den zwei Künstlerfahnenprojekten des Frankfurter Hofs - noch nicht auf diesem Feld betätigt. Wir kämen dabei übrigens sehr schnell wieder auf das Eingangsthema vor zehn Minuten, nämlich das Verhältnis zwischen Kunst und Verwaltung, besser gesagt: Politik. Wir werden über Nippes, Fingerpalmen und Kaufhauskunst im öffentlichen Raum auch noch sprechen, garantiert! - aber nicht heute. Vielen Dank.
Übersicht