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Übersicht

Rede zur Eröffnung der Ausstellung EL Loko: „Kosmische Lettern“ in der Galerie der Stadt Mainz - Brückenturm, 1. Oktober 1999

  • www.el-loko.de

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Wenn wir das Kunstwerk als sprachliche Äußerung verstehen, können wir dieser Äußerung unterschiedliche Funktionen zuschreiben bzw. diese aus ihm ableiten. Wir sprechen unter anderem von abbildender Funktion, von appellativer, also auffordernder Funktion, oder auch von emotiver, also "gefühlserzeugender" Funktion. Die Funktionen sind konkret am besten durch die Formulierung von Fragen zu untersuchen, und diese Fragen machen Ihnen auch gleich deutlich, was gemeint ist: Was bildet das Kunstwerk ab? Wozu fordert das Kunstwerk mich auf? Welche Gefühlsstimmung erzeugt das Kunstwerk? usw.

Wenn auch häufig in der Auseinandersetzung mit Kunst nur gerade über diese Fragen gesprochen wird, so befriedigen die denkbaren Antworten letztlich nicht. Das liegt daran, daß die genannten Funktionen alle auch anderen, nichtkünstlerischen Äußerungen zugeschrieben werden können. Das Wesen des Kunstwerks wird durch sie nicht erschlossen. Ein Beispiel: Eine Besucheräußerung wie "Ich mag die Farben dieses Bildes" hat, so berechtigt sie sein mag, erkenntnistheoretisch die gleiche Qualität wie "Ich mag die Farben dieses Teppichs" oder "dieser Blumen" usw.

Was das Kunstwerk, wenn es eines ist, von anderen menschlichen Hervorbringungen unterscheidet, ist eine weitere Funktion. Man kann sie innerhalb des von mir angesprochenen Denkmodells als "ästhetische Funktion" benennen. Nun gibt es durch die Jahrhunderte die unterschiedlichsten philosophischen Systeme der Ästhetik. Ich begnüge mich heute mit einem einzigen Satz:

Wie ist das Kunstwerk gemacht?

Ein Kunstwerk hat eine ästhetische Funktion, wenn es eine eigene Sprache spricht. Die dazugehörige Frage klingt sehr einfach: Sie lautet "Wie ist das Kunstwerk gemacht?" Diese Frage führt, sofern es sich um ein Kunstwerk handelt, zu sehr vielen Antworten, Teilantworten, auch sich widersprechenden Antworten, denn sie bezieht sich keineswegs nur auf den handwerklichen Fertigungsprozess, sondern auf alle Elemente des Kunstwerks und ihre internen Beziehungen untereinander. Wenn wir nämlich den hier eingeführten Begriff der Sprache weiterbenutzen, so müssen wir, wenn wir eine eigene, also für uns zunächst fremde Sprache entschlüsseln wollen, nicht nur die Bedeutung ihrer Wörter erlernen, sondern ihre Grammatik, ihre Syntax, ihre Orthographie, sogar ihr Alphabet. Diesen Vorgang der allmählichen Entschlüsselung der eigenen Sprache des Kunstwerks kann man getrost als Arbeit bezeichnen, man kann ihn aber auch mit dem schönen altertümlichen Wort "Kunstgenuss" bezeichnen.

Ich habe mich zu diesem theoretischen Vorwort - welches man noch sehr weit vertiefen könnte - verleiten lassen, weil wir in dieser Ausstellung einen Künstler vorstellen, der sich ausdrücklich - auch in den Titeln seiner Werkgruppen und seiner Ausstellungen - mit dem Phänomen der Sprache beschäftigt, und zwar der Sprache in Bildern. Der Titel der Ausstellung ist der Titel einer ganzen Serie von Bildern und Skulpturen: "Kosmische Lettern".

Kosmische Lettern

Dieser Begriff ist Programm. In ihm ist ein sehr hoher Anspruch enthalten: Der Wunsch, die Absicht, sicher die Utopie - manchmal vielleicht auch der verzweifelte Versuch, eine kosmische Sprache zu schaffen, eine Sprache, die nicht nur weltweit, sondern im gesamten Kosmos verstanden und gesprochen werden kann.

Und hier entsteht ein bedeutsamer Widerspruch, ein Paradox sozusagen: denn wenn wir einerseits vom Kunstwerk fordern, dass es seine ureigene Sprache, seinen Idiolekt, spricht und diese Sprache dafür jedes mal neu erfindet, wie kann dann dieses Kunstwerk gleichzeitig eine "kosmische Sprache" sprechen?

Um dieses Rätsel zu lösen, müssen wir vielleicht fragen: Was ist denn in dieser Sprache von EL Loko eigentlich Zeichen? Was ist Figur? Was ist Symbol? Kann man etwas wie Zeichenketten identifizieren, Worte, Sätze? Manche Werke legen dies sehr nahe: Als wir die drei Stelen in den Ausstellungsraum trugen, lagen sie waagerecht, und plötzlich schienen sie lesbar zu werden. Im selben Moment scheitert der Versuch natürlich, und wir haben in diesem kurzen Augenblick das Gefühl, in der Tat mit einer fremden, nie gesehenen Sprache konfrontiert zu werden.

Gleichzeitig lesen wollen und wissen, dass diese Bilder ein anderes Lesen von uns fordern. Denn auch möglicherweise ein Wissen über andere, auf der Welt vorfindbare Lesarten, womöglich afrikanische, hilft nicht. EL Loko spricht seine eigene Sprache, die gleichzeitig eine kosmische ist oder sein will. Oder besser: die als Modell die Utopie einer eigenen, ganz individuellen, dabei keineswegs willkürlichen, sondern ganz und gar durchgearbeiteten, sinnvollen, systematischen Sprache vorstellt. Jeder kann so eine Sprache, seine eigene, ureigenste erfinden, oder besser: Jeder, ob in Europa, Afrika oder anderswo, spricht bereits seine eigene Sprache, indem er lebt und sich bewegt. Ich denke, Sie haben verstanden, dass wir uns vom literarischen Begriff der Sprache schon ganz weit fortbegeben haben.

Denn die kosmischen Lettern gehören vielleicht zu einer Sprache, die bedeutungslos ist, die keine Bedeutungen vermittelt, wie sie etwa im Wörterbuch stehen könnten. Die Lettern stehen für sich selbst, verweisen nur noch bisweilen auf Dinge der Umwelt. Eigentlich sehen wir eine der größten menschlichen Leistungen im Moment des Entstehens vor uns: Die Verwandlung des Bildes in Schrift. Ein Rückblick auf eine frühere Phase in diesem Prozess, ein noch sehr bildhaftes Zeichen, ist die Schlange in der oberen Galerie.

Sprache ist Skulptur

Denn - ein weiteres Paradox - bei EL Loko hat der Prozess der Zeichenbildung auch eine Gegenrichtung: Lettern werden zu Bildern, abstrakte Zeichen zu lebendigen Wesen. Besonders die großen Wandarbeiten in diesem Raum, scheinbar lesbar wie ein langer Text, sind ebenso eine Bildfolge. Die Zeichen entwickeln ein Eigenleben, werden Bildergeschichte, schauen uns wie fremdartige kleine Wesen an.

Sprache ist Skulptur. EL Lokos Arbeiten propagieren diesen Gedanken seines Lehrers Joseph Beuys auf überraschend plausible Weise. Aber nicht, weil hier eine Schulrichtung demonstriert wird, sondern weil der Gedanke Sprache = Skulptur "kosmische Gültigkeit" hat. Er ist keine der temporären Thesen einer kunsthistorischen Diskussion, er erhebt den Anspruch der Gesetzmäßigkeit.

Ich breche den Gedankengang hier unvermittelt ab, um auf die Erfahrungen von EL Loko zurückzukommen. ... Und finde in seiner bereits zitierten Autobiographie einen bemerkenswerten Satz: Als er über seinen Entschluss, Kunst zu studieren, dies in Deutschland zu tun und dies bei Joseph Beuys zu tun, spricht, berichtet er: "Ich ging vor und zurück und gelangte immer wieder dorthin, wo ich angefangen hatte. Und doch dachte ich keinen Moment ans Aufgeben. Die Entschlossenheit, das Übergeordnete zu erreichen, hatte in mir Wurzeln geschlagen."

Und einige Seiten und Jahre später, als die erlösende Erkenntnis geboren war, die eigene Sprache zumindest in greifbarer Nähe zu haben, und damit die Hoffnung, mit dem Individuellen, und gerade dadurch, auch das "Übergeordnete" erreichen zu können, sagt EL Loko: "Jeder ist gut, in dem was er tut, mehr kann er nicht geben." Das heißt nicht: Jeder tut das, was er tut, gut und kann sich damit zufrieden geben, es heißt: Jeder ist dadurch, dass er etwas tut, das was er kann, gut und wert. Den entsprechenden Gedanken von Beuys können Sie alle hier einfügen.

Afrika

Ich habe Ihnen bisher nichts Biographisches von EL Loko erzählt, obwohl Sie das vielleicht interessiert. Sie sollten ihn selbst danach fragen. Nur so viel: Nach langer Reise, ganz konkret und vor allem aber geistig, kommt er aus Deutschland vor Jahren einmal nach Pédakonji, seinem Geburtsort in Togo zurück, und er bricht dieses vorherige Leben ab, ist dazu gezwungen. In einem langen Gebt, das er beim Verlassen des Dorfes spricht, sagt er - und er spielt auf die Bedeutung der Wegkreuzungen in Afrika an:

"Herr der drei Wege
vor Dir steht ein Mann, der viel gesehen hat, ...
vor Dir steht ein Mann, der lange gereist ist, ...
vor Dir steht ein Mann, der vieles erlebt hat, ...
vor Dir steht ein Mann, der hoch geklettert ist, ...
vor Dir steht ein Mann, der lange marschiert ist, ...
vor Dir steht ein Mann, der vieles weiß,
aber auch weiß, was er verleugnet hat,
vor Dir steht ein Mann, der vieles geschaffen hat,
aber auch weiß, was er angerichtet hat."

Und ich muss noch einmal den Künstler selbst zitieren, denn - und hier scheint eine weitere sprachliche Dimension auf: EL Loko spricht auch in der gesprochenen, geschriebenen und druckbaren Sprache. Er macht Skulpturen aus Worten.

Es muss bei einem Künstler, der zwischen Afrika und Europa steht, vielleicht nicht dazwischen, sondern "darüber", auch über die Bedeutung der Orte, der Geographie und ihrer Spuren in uns gesprochen werden. Also noch einmal EL Loko:

"Schweige!
Sage mir nichts!
Überhaupt
nichts, denn
es gibt keinen Ort,
keinen winzigen Flecken auf dieser Welt,
der aus dir, aus mir,
aus jemandem
einen König machen wird.
Es ist deine,
meine,
eines jeden Pflicht,
seine Welt
in ein Königreich zu verwandeln."

Helfen Sie EL Loko dabei, bauen Sie, verwandeln Sie!!

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