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Übersicht

Rede zur Eröffnung der Ausstellung Christiane Schauder im Golf-Gast-Haus St. Johann am 11. September 1998

  • Christiane Schauder

Ein Zeichen ist ein Zeichen ist ein Zeichen

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es beflügelt den Redner, wenn er in gastlicher Atmosphäre sprechen kann. Und es befriedigt die Künstlerin, in ebendieser gastlichen Atmosphäre auszustellen. Denn gutgemeinte sogenannte Ausstellungsgelegenheiten, häufig auch in der Gastronomie, gibt es viele. Geeignet sind dagegen wenige. Auch als Künstler willkommen und gefragt zu sein, nicht nur als schmückendes geschäftsförderndes Beiwerk, dieses Gefühl stellt sich selten ein. Hier im GolfGastHaus aber schon, und dafür im Namen der Malerin Christiane Schauder herzlichen Dank an Herrn Allert, Herrn Böse und alle Beteiligten.

Ich möchte Ihnen die Künstlerin vorstellen: Christiane Schauder, 1955 in Simmern/Hunsrück geboren, von Kindheit an viel gemalt, Studium in Bonn und in Mainz, später auch in Frankfurt bei Hermann Nitsch. Durchaus erfolgreich, Stipendien und Kunstpreise, Arbeiten in öffentlichen und privaten Sammlungen. Viele Reisen, darunter ein mehrwöchiger Arbeitsaufenthalt in Baku, Aserbaidschan, einjähriges Arbeitsstipendium in Soest/Westfalen, und immer wieder New York, teilweise mehrfach pro Jahr. Lebt in Mainz als freiberufliche Malerin, verheiratet, keine Kinder, viele Freunde.

Eine Begegnung

In ihrer langen Ausstellungsliste findet man eine Eintragung, von der ich Ihnen erzählen möchte. Ende der achtziger Jahre machten wir viele Spaziergänge und Ausflüge in die Umgebung. Wir kamen dabei häufig durchs Selztal bei Ober-Ingelheim und entdeckten ein schön gelegenes Schlösschen hoch über dem Tal. "Da hätte ich gern ein Atelier", rief Christiane aus. Das sagt sie nun allerdings häufig. Ein, zwei Jahre später aber klingelt das Telefon, und es meldet sich Frau von Opel: "Wir möchten gern eine Ausstellung in Schloss Westerhaus organisieren, wir kennen Ihre Arbeiten aus dem arthouse Ingelheim, möchten Sie dabei sein?" So kam man zusammen, das war 1991. In der Folge entdeckten wir den Westerhaus Wein, begannen "trockene Leidenschaften", erkoren den Riesling Opel Brut zu unserem Haussekt und haben inzwischen so manches Mal - den Kombi bis zur Grenze der Belastbarkeit vollgeladen - den steilen Feldweg durch die Weinberge zurückgelegt.

Dass jetzt mit der heute zu eröffnenden Ausstellung ausgerechnet der Westerhaus Spätburgunder und die Kunst von Christiane Schauder sich ehrerbietig begegnen dürfen, das ist ein weiterer Zufall, der nicht zufällig sein kann.

Klänge

Nun aber zur Kunst: Die Künstlerin arbeitet heute und seit langer Zeit abstrakt. Sie selbst bevorzugt allerdings den neutraleren Begriff "gegenstandsfrei". Das Bild hat den Gegenstand verloren, statt dessen wurden Kontur, Fläche und Struktur zum Inhalt, um den es geht. Aber auch Konturen und Linien, alle graphischen Elemente verschwanden bald, zudem vermischten sich die Farben, wurden gebrochen und nicht mehr klar definierbar. Heute möchte man meinen, dass auch die im Bild abgegrenzte Fläche nicht mehr erkennbar ist. Vielmehr wird das ganze Format, einschließlich der seitlichen Ränder, zum Farbkörper. Die Organisation der Bildelemente erfolgt nicht mehr im Nebeneinander auf der Fläche, sondern in der Tiefe des Bildraumes.

In Acryl, verschiedenen Mischtechniken und Enkaustik realisiert die Malerin heute Bildlandschaften, zu deren Beschreibung also nicht der Gegenstand, die Kontur und die Fläche, sondern Strukturen und Tiefenschichten herangezogen werden müssen. In bis zu 20 und mehr Ebenen überlagern sich die Farben, die mit Pinsel, Schwamm und anderen Werkzeugen aufgetragen werden. Es wird gestrichen, gewischt, manchmal auch wieder abgeschliffen, Tropf- und Schüttspuren sind teilweise noch auszumachen, auch Pastellstifte werden eingesetzt. Stark in Wasser verdünnte Acrylfarben erzeugen Effekte von luftiger Durchsichtigkeit. Vor Ihnen als Betrachter entsteht also ein Farbraum, in dem das Hintereinander die topographische Dimension ist. Sie sind aufgefordert, senkrecht zum Bild in die Tiefe zu schauen, wobei dies gleichzeitig unmöglich gemacht wird, denn die Ebenen sind nicht mehr zu unterscheiden. Nirgendwo bleibt reine Farbe stehen, so wie sie einmal aufgetragen wurde. Jede Farbsetzung wird durch die davor aufgetragene Schicht, den farblichen Untergrund, verändert, wie auch durch die darüber gelegte nächste Ebene. Es entsteht so ein mehrschichtiger gebrochener Gesamtklang.

Matte Durchsichtigkeit ist auch einer der Effekte, die mit einer heute selten verwendeten Technik erzeugt werden, ich meine die Enkaustik. Bei dieser schon in der Antike erfundenen Methode, die Christiane Schauder vor einigen Jahren für sich entdeckte und weiterentwickelte, werden Farbpigmente, also Farbpulver, in heißem, flüssigem Wachs gebunden und aufgetragen. Das Ergebnis ist neben den erwähnten Lasureffekten eine pastose Struktur, also richtig spürbares Material auf der Oberfläche, die damit als zusätzliches Bildmerkmal betont wird. Enkaustik-Bilder sind übrigens in der Farbintensität sehr dauerhaft, normale Alltags-Temperaturen machen Ihnen nichts aus, nur auf plötzliche extreme Temperaturänderungen reagieren sie empfindlich. Auch der Oberfläche kann nichts passieren, wenn man sie nicht mit scharfen Gegenständen prüft oder das Bild fallen lässt.

Autonomie

Ich benutzte eben das Wort Landschaft, und zwar in einem metaphorischen Sinn. Die Künstlerin will keine Landschaften darstellen, ihre Bilder sind insofern absichtslos. Die Betrachter sollten mit ihnen umgehen wie mit einem musikalischen Erlebnis - auch das Wort Klang tauchte schon auf - d.h. wie mit Kompositionen, die eine neue, eigene Welt erzeugen, eine parallele Wirklichkeit. Der Begriff Bildlandschaft bietet sich allerdings an, da mit ihm die Topographie und Geographie, ja sogar die Geologie dieser Bilder gut beschrieben werden kann. Gerade an diesem Ort hoch über Rheinhessen liegen die Assoziationen zu unserer Landschaft natürlich nahe, drängen sich geradezu auf. Aber machen Sie es einfach einmal umgekehrt: Betrachten Sie die Gemälde der Künstlerin als Fenster zu einer Landschaft, lassen Sie dann den Blick schweifen, z.B. dort im Versammlungssaal, und sehen Sie den Blick aus dem wirklichen Fenster als weiteres Bild an der Wand. Es wird Ihnen schlagartig klar, ohne die Bemühung erkenntnistheoretischer Philosophien, dass es sich einfach um mehrere nebeneinanderliegende Wirklichkeiten handelt, die zwar Beziehungen zueinander haben, aber keine Ordnung im Sinne von vorher/nachher oder Vorbild/Abbild. Beide Bilder sind autonom.

So autonom wie ein Wein, der, wenn er gut ist, erst einmal er selbst ist, anderen vielleicht ähnlich, aber zunächst er selbst, so wie kein anderer, und auch zur Beschreibung seines Erlebnisses benutzen wir nur hilfsweise assoziative Begriffe: "Akazien- und Honigaromen", "Rosenduft", "zarte Holznote", sogar "feiner Duft nach Banane" lese ich - Herr von Opel weiß, woher die Zitate stammen. Aber wir alle wissen, dass der Wein natürlich nicht wie eine Rose duften will. Und auch der Winzer - nehme ich jedenfalls an - nimmt sich nicht vor: jetzt mache ich einen Wein, der nach Banane durftet. Jeder Wein ist autonom, und ihm sind die Bananen ganz egal. Nur wir hilflosen Menschlein versuchen, unsere Begegnung mit ihm in Worte zu fassen, so gut es eben geht. Man muss ja schließlich irgendwie drüber babbeln, über die Kunst und über den Wein.

Ich erinnere mich an eine Weinwerbung von Westerhaus, in der eine berühmte Zeile der amerikanischen Dichterin Gertrude Stein zitiert wurde. "A rose is a rose is a rose" - man kann auch frech lesen "A Rosé is a Rosé is a Rosé". Das hört sich zwar eher nach einer spätabendlichen rhoihessischen Weisheit an, stimmt aber ebenso. Denn es meint die Autonomie der Rose - oder des Rosé - , jedes einzelnen neben allen anderen, sogar jeder einzelnen Flasche, wenn nicht jedes einzelnen Glases, jedes einzelnen Schlucks. Die Übertragung dieses Gedankens vom Weingenuss auf die Annäherung an die Bilder der Künstlerin dürfte Ihnen nach dem jetzt Gesagten leicht fallen.

Aber noch ein Wort zu Gertrude Stein, denn hier gibt es eine weitere nicht geplante Koinzidenz. Auch in dieser Ausstellung wird eines der Rosengedichte der Autorin zitiert: "I am rose...", gleich gegenüber der Rezeption im Hoteleingang. Das Bild ist insofern eine Ausnahme, dass es Bezug nimmt auf etwas außerhalb des Bildes, etwas, das schon vorher existierte, nämlich jenes Gedicht. Der Text ist Anlass für das Bild. Und es geht in der Tat um die Untersuchung der Farbe Rosenrot, um ihre tausend Spielarten, von denen vier mal vier = sechzehn hier erscheinen, gegliedert nach der Rhythmik des Textes.

Alphabete

Den Text kann man im Bild lesen, wenn er auch wieder der Überlagerung durch Farb- und Wachsschichten preisgegeben ist. Die Lesbarkeit von Zeichen ist allerdings eine Ausnahme. Wenn Christiane Schauder nämlich Zeichen entwirft, d.h. also graphisch, meist in schwarz strichhaft hervorgehobene Elemente, wie auch auf dem Etikett für den Westerhaus Spätburgunder, so sind diese nicht im üblichen Sinne lesbar. Sie sind keine Buchstaben, auch keine Piktogramme - wenn auch Assoziationen dieser Art nicht verboten sind -, sondern eigenständige Strukturen. Die Bilder dieser Serie heißen "Alphabetische Phänomene", d.h. es geht um Erscheinungen von Zeichen in einer Kombination, einer Serie, einer Reihung. Die Zeichen heben sich hervor aus dem Farbraum, man kann sich an ihnen festhalten, sich orientieren, sie als abgehobene Gestalt wahrnehmen und identifizieren. Daher können wir sie wie Elemente eines fremden Alphabets wahrnehmen, aber dies ist wieder nur eine Hilfskonstruktion, denn auch diese Zeichen sind autonom. Sie "meinen" nichts.

Aus Alphabeten aber kann man Worte bilden, wie aus einem Baukasten, und hier liegt ein Thema der Bilder. Die Teilung eines Bildgrundes in mehrere einzelne Flächen war schon länger ein Experimentierfeld der Künstlerin. Die Nahtstelle zwischen den Bildteilen oder der Zwischenraum, sie sind als prägendes, auffallendes Element zu bearbeiten, entweder zu übergehen, zu betonen oder in die Struktur einzubeziehen. Reihungen, Abfolgen verschieden großer Bildflächen oder auch das Zusammenstoßen verschieden strukturierter Flächen beschäftigen die Malerin in der letzten Zeit. Einige der hier gezeigten neun- und sechzehnteiligen Bilder sind in der Anordnung variierbar, die quadratische Anordnung kann aufgelöst werden, Beispiele dafür sind auch ausgestellt. Auch bei den reinen Farbflächen ohne Zeichen kann man also von einem Alphabet sprechen. Jedes einzelne Element ist selbständig, aber in der Kombination ergibt sich wieder eine neue Qualität.

Noch ein Wort zu den Bildtiteln. Es dürfte klar geworden sein, dass sie nicht die dargestellten Themen oder Sujets bezeichnen können, da es Themen und Gedanken außerhalb der Malerei, also außerhalb des Bildes, wie es vor uns steht, nicht gibt. Häufig verzichtet die Künstlerin konsequenterweise auf Bildtitel oder bezeichnet die Bilder einfach mit Farbbegriffen. Wenn dennoch einzelnen Gemälden Gedanken und Begriffe wie "Atlantisch", "Fuga" oder "Ruhig bewegt" zugeordnet wurden, so handelt es sich lediglich um Anregungen für den Betrachter, also für Sie, meine Damen und Herren, sich den Werken zu nähern und sich Ihren eigenen Erlebnissen mit den Bildern hinzugeben, wozu ich Sie herzlich einlade.

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