Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Johannes Metten – Mutationen“ in der Galerie der Stadt Mainz, am 4. Februar 2000
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Johannes Metten,
schon in einem Artikel von 1973 hat jemand Dir eine bestimmte künstlerische Tugend zugeschrieben, die offenbar schon damals nicht eben oft zu finden war: ich meine die Tugend des Wartenkönnens. Dass diese auch und speziell eine künstlerische ist, zeigt sich in mehreren Dimensionen: Auf der pragmatischen Ebene im Umgang zwischen Künstler und Kurator unter anderem in der Frage des Vertrauens. Dafür danke ich Dir zunächst einmal ganz persönlich. Genau wissend, was Du willst, hast Du mich einfach machen lassen und nie verlangt und gefordert, sondern Dich immer nur still gefreut, wenn wieder ein Schritt getan war. So etwas wünsche ich mir häufiger.
Was ich mir auch häufiger wünsche – und auch dies hat mit Ruhe, Selbstvertrauen, Gelassenheit und gesunder Selbsteinschätzung zu tun – ist ein Wartenkönnen auf die öffentliche Aufmerksamkeit. Johannes Metten hat nie um eine Einzelausstellung in städtischem Rahmen ersucht, sie erwartet, gar verlangt, sie sich vielleicht nicht einmal gewünscht. Dem Kunstbeirat und dem Kulturdezernat hat er es somit gegönnt, ihn überraschen zu dürfen an seinem siebzigsten Geburtstag im letzten Jahr. Man soll, wenn es etwas zu feiern gibt, nichts Schlechtes über andere sagen. Aber gestatten Sie mir diese Nebenbemerkung: Es wimmelt nur so von Künstler-Jubilaren, die entweder selbst oder durch Vermittlung vermeintlich einflussreicher Freunde, z.B. ehemalige Amtsinhaber, beizeiten ihre Ansprüche anmelden, und zwar – und das ist besonders bitter - nicht selten in völliger Fehleinschätzung der Bedeutung ihrer Person. Journalisten – manche Journalisten – stimmen bisweilen pflichtschuldig ein. Damit umzugehen ist nicht leicht.
Nicht so heute Abend. Es bedarf und bedurfte keiner langen abwägenden Überlegung, um festzustellen, dass Johannes Metten in Anbetracht seines Gesamtwerkes einer One-Man-Show, wie im Galeristenjargon heute gesagt wird, würdig ist. Er verdient sie geradezu, wobei es nicht um den strapazierten Begriff des „verdienstvollen Künstlers“ geht. Ich spreche in diesem Fall allein vom Werk. Ja – und es geht wirklich auch um die One-Man-Show, d.h. nicht die one woman and one man..., wie wir es über viele Jahre immer wieder durchaus mit Vergnügen bei den Mettens erlebt haben.
Bei der Arbeit an der Ausstellung und am Katalog musste ich irgendwann feststellen, und zwar nicht ohne Bestürzung, dass bei allen Veröffentlichungen – und es gibt deren durchaus eine gute Zahl – dieser schmale Katalog, den wir herausgeben durften, die erste monographische Veröffentlichung über den Künstler Johannes Metten ist. Das war mir zu Anfang gar nicht so klar, sonst hätte ich mir mehr Zeit genommen, hätte versucht, noch mehr Mittel aufzutreiben, hätte irgendeinem jungen Kunsthistoriker die Idee eines Werkverzeichnisses angetragen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden... Man muss eben nur warten können.
Dieser Katalog also kommt für mich so schlicht und bescheiden daher wie der Künstler selbst, aber sobald man ins Innere vordringt, tut sich ein reiches Universum auf, und ich hoffe, es geht Ihnen in der Betrachtung der Ausstellung ebenso. Was ebenfalls wieder mit der Gelassenheit und dem Warten zu tun hat, ist - auch darüber war ich hocherfreut – die von Anfang an vorhandene Bereitschaft des Künstlers, einen Überblick über sein Werk fast seit Beginn der künstlerischen Tätigkeit zu bieten. Retrospektive mag ich nicht sagen, dafür haben wir hier zuwenig Platz, aber ein Querschnitt, ein reichhaltiger Querschnitt ist es allemal. Nicht selten höre ich von älteren Künstlern, ich meine wirklich von älteren, denn Johannes ist noch jung, dass noch keine Zeit für eine Retrospektive sei, sie wollen nur die neuesten Werke zeigen und nicht selbst wie ein Museumsstück behandelt werden. Nun gut, das ist vielleicht verständlich, aber ebenso verständlich ist das Interesse der Öffentlichkeit, einmal alles zusammen zu sehen, was man vielleicht über Jahre und Jahrzehnte hinweg immer nur in einzelnen Phasen erleben konnte.
Wenn Sie sich umschauen, werden Sie mir recht geben: Es ist Johannes Metten beides gelungen: Er war es nämlich, der von Anfang an ein sehr genaues und schlüssiges Konzept hatte, wie die Ausstellung einzurichten sei. Und es gelang, einerseits einen Rückblick zu liefern auf Werke aus fünf Jahrzehnten, wie wir die Ausstellung untertitelt haben, andererseits aber auch den ganz jungen, neuen, experimentierfreudigen Künstler zu präsentieren, der wagt, gewinnt und seine Mutationen nie zu Ende kommen lässt. Die Evolution endet bei ihm nicht in einer Sackgasse, im Gegenteil.
Und gerade in Korrespondenz der Farbspiele aus der Frühzeit mit den Styroporobjekten von heute können wir in dieser Ausstellung einen ganz neuen Aspekt im Werk Mettens entdecken – von den hier zahlreich vertretenen Papierarbeiten des allgemein als reiner Bildhauer bekannten Künstlers ganz abgesehen.
Auch dies, das Vertrauen auf das Gesamtwerk, auch wenn Teile davon weit zurückliegen, ist eine wohltuende Auswirkung der Gelassenheit. Der Künstler wartet auf den richtigen Zeitpunkt und den richtigen Ort, bestimmte Aspekte seiner Arbeit präsentieren zu können. Sinn muss es machen und nicht als Pflichtübung und Nebensache erledigt werden.
Wir haben versucht, in der Ausstellung einem Gedanken zu folgen, durch teilweise eher chronologische Anordnung, aber vor allem auch durch Momente der Konfrontation, vor allem in diesem Raum. Ich könnte Ihnen alles erklären, aber das habe ich schon ansatzweise versucht, und zwar im Katalog. Manchmal fällt es schwer, zweimal zu denken. Und so sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich nicht meinen eigenen Text hier mündlich zweitverwerte, sondern Sie einfach zum Lesen und Anschauen ermuntere, natürlich in umgekehrter Reihenfolge.
Es gibt auch so viel Persönliches zu sagen, und ich schrecke immer weniger davor zurück. Eines muss ich noch loswerden: In der Vorbereitung zu Ausstellung und Katalog gab mir Johannes zwei Aktenordner und drei große Mappen, angefüllt mit Einladungskarten, Eröffnungsreden, aufgeklebten Zeitungsartikeln und allerlei anderem, was sich so über die gemeinsamen Jahre angesammelt hat, ja: die Mettens archivieren gemeinsam. Und auf der ersten Doppelseite der ersten Mappe aus den fünfziger Jahren findet sich links eine Artikel mit etwa dem Titel „Recklinghausenerin besucht Henry Moore“ – das war Liesel, und rechts aufgeklebt ist: „Nieder-Olmer fährt 18000 km mit dem Auto durch den Orient“ – das war Johannes.
Es hat mir übrigens immer Spaß gemacht, durch alte Archivalien dieser Art zu stöbern, nicht zuletzt bei der Vorbereitung der Ausstellung „Kooperative Kunst“, die vor ziemlich genau zwei Jahren im Rathaus-Foyer stattfand und an der beide Mettens – auch damals schon voller Vertrauen und Enthusiasmus beteiligt waren. Wenn ich als – leider nur – Zugereister heute in diesen Folianten auf Namen stoße, die für diese Stadt Geschichte sind, besser: die Kulturgeschichte gemacht haben und sich alle irgendwann einmal zu Johannes Metten geäußert haben – dann beschleicht mich schon ein Gefühl, es mit Monumenten zu tun zu haben. Ich will die Namen nicht nennen, ihre Worte hier nicht zitieren, denn zu leicht würden wir abgleiten in die Feier von Denkmälern, lokalen wohlgemerkt, und das ist weiß Gott nicht die Haltung, die Johannes Metten gerecht wird. Andere sind und waren bei solchen Gelegenheiten für anekdotenhaftes Name-dropping berühmter - und berüchtigt.
Nein, meine Damen und Herren, womit wir hier konfrontiert sind, ist ein Lebenswerk Arbeit an einer Idee, eine Auseinandersetzung mit künstlerischen – und nicht nur künstlerischen – Fragestellungen der letzten 50 Jahre, die bis in die Jetztzeit nachwirken: Menschenbild, Autonomie des Kunstwerks, Dialog des Gestalters mit dem Material, prozesshaftes vs. ergebnishaftes Denken, auch bildende Kunst als Reaktion auf Literatur und viele andere Themen mehr.
Diese Fragestellungen auch in einer anderen Sparte zu verfolgen, nämlich der Musik, war uns ein Bedürfnis, und ich freue mich sehr, dass Herr Stefan Albrecht mit seinem Instrument gleich noch einmal auf die Mutationen von Johannes Metten reagiert. Die Beziehung ist nahegelegt: Die Geschichte der Syrinx von Claude Debussy, noch einmal nach den Metamorphosen des Ovid.
Vielen Dank.
Übersicht