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Übersicht

"Die Wüste lebt..."

Ein Spaziergang zur Kunst in der Mainzer Neustadt

Aus Hedwig Brüchert (Hrsg.): „Die Neustadt gestern und heute“,
Mainz: Verein für Sozialgeschichte, 1997, S. 161ff.

Die „offene Bibliothek“

Luise Rinser, Arthur Hailey, Werner Bergengruen, dazwischen "Skilanglauf heute", die "PC-Welt" und "Ausgrabungen in Deutschland"... Mit einem gutsortierten Bücherschrank beginnt unser Neustadt-Spaziergang, auf der Suche nach Künstlern, ihren Werken und ihren Lebensräumen. Unter freiem Himmel, offen und jedermann zugänglich, in einem umgewandelten alten Stromverteilerkasten, steht er am Feldbergplatz, Ecke Taunusstraße. Was hat ein Bücherschrank mit Kunst zu tun? Wenn Kunst das ist, was Künstler produzieren - eine nur auf den ersten Blick kalauernde und vermeintlich tautologische Definition -, so handelt es sich bei diesem Schränkchen in der Tat um Kunst; denn seine Schöpfer, die beiden New Yorker Michael Clegg und Martin Guttmann, sind ohne Zweifel Künstler, sogar international höchst anerkannte und gut dotierte Avantgardisten.Sie wurden vor allem durch ihre eigenwilligen großformatigen Photographien bekannt, auf denen ein, zwei oder mehrere Menschen portraitiert werden, die in einer merkwürdig stilisierten Künstlichkeit den Betrachter anschauen. 1994 wurden die beiden vom Landesmuseum eingeladen, ihr Projekt "Die offene Bibliothek" in Mainz zu verwirklichen, ein vorher bereits in Graz und Hamburg realisiertes Unternehmen mit einer ebenso einfachen wie überzeugenden Philosophie: an bestimmten häufig besuchten Plätzen in der Öffentlichkeit werden Bücherschränke aufgestellt, die von den umliegenden Bewohnern gefüllt und benutzt werden. D.h. das Kunstobjekt ist nichts weiter als ein quasi soziologisches Konzept: Bürger erhalten einen Freiraum des intellektuellen Austausches und gestalten diesen selbst. Es gibt nämlich keinerlei institutionalisierte Betreuung (wie etwa in Bibliotheken), der Schrank ist offen, jeder kann ihm Bücher entnehmen oder welche hinzufügen. Nachbarn treffen sich und empfehlen sich ihre jüngste Lektüre. Was aber als zeitlich befristetes Kultursommer-Projekt 1994 begann - und das ist das Erstaunliche - funktioniert bis heute. Der Schrank steht noch, ist bis auf einige Sprayer-Spuren unversehrt und erfreut sich lebhafter Benutzung. Für Clegg und Guttmann ist er ein Portrait einer Gemeinschaft - in diesem Falle in einem weiteren Sinn ein Portrait der Stadt Mainz -, das sich selbst konstituiert, indem es sich lebendig entwickelt.

Die „grüne Brücke“

Einige Schritte weiter könnten wir Studenten beim Zeichnen zusehen: in einem ehemaligen Weinlager im Zollhafen haben sich die angehenden Architekten der Fachhochschule Mainz in harter Eigenarbeit Unterrichtsräume eingerichtet, die 1995 bezogen wurden und heute auch Design- und Innenarchitekturstudenten beherbergen. Aber unser Weg führt ins Zentrum der Neustadt, und zur Überquerung der vierspurigen Rheinallee benutzen wir ein weiteres Kunstwerk. Denn alltäglich und von jedermann benutzbar wie die offene Bibliothek, betretbar, offen, zugänglich, bespielbar und anregend ist das Bauwerk, welches seit seiner Einweihung am 22. Mai 1981 immer als erstes genannt wird, wenn in Mainz von "Kunst in der Stadt" die Rede ist: die "Grüne Brücke" des Wackernheimer Umweltkünstlers Dieter Magnus. Als Kernstück einer nahtlosen und sicheren Fußgängerverbindung vom Goetheplatz bis zum Rheinufer ist sie aber nicht nur Verkehrsweg, sondern ein Stück neue Stadtlandschaft mit vielfältiger Begrünung, Spielangeboten und den unterschiedlichsten Nischen und Plätzen zum Ausruhen. Anscheinend widersprüchliche Merkmale urbanen Lebens im 20. Jahrhundert wurden hier zusammengeführt und miteinander versöhnt: dichte Wohnbebauung, schnelle Autostraßen und dennoch ruhige Orte, sich zu treffen oder auch einmal Straßenfeste zu feiern. "Menschenwerk für leibhaftige Menschen, die nicht nur etwas 'nutzen', sondern die dabei fühlen, hören, sehen, riechen", schrieb der Architekturkritiker Manfred Sack über die Grüne Brücke 1982. Gewiss hat die Zeit seitdem auch auf diesem Bauwerk ihre Spuren hinterlassen, und manches würde man heute vielleicht auch anders entwerfen. Nach wie vor aber ist das Projekt beispielhaft für eine alternative, sowohl künstlerisch wie menschenfreundlich orientierte Stadtgestaltung.

Ein Sammlerehepaar

Von der Straße ins Wohnzimmer. Bis 1994 hätten wir sie in der Nahestraße 9, Erdgeschoss, noch besuchen können: Heinz und Hella Pachen, das Sammlerehepaar, das hier 40 Jahre lang inmitten Hunderter von Kunstwerken lebte. Ein Chemotechniker und seine Frau, Kunstnarren und Sammler aus Leidenschaft, haben bewiesen, dass man kein Industrieller oder Baulöwe sein muß, um Kunst sammeln zu können. In ihrem Besitz sind heute etwa 2000 Werke deutscher Künstlerinnen und Künstler, darunter Klassiker der Moderne wie Dix, Heckel, Kollwitz und Kubin, wichtige Namen aus der Zeit nach 1945 wie Heiliger, Grzimek, Uhlmann und Grieshaber, aber auch junge Kunst der Gegenwart wie Reinhard Roy oder Christiane Schauder. Einige Jahre war ein Teil der Sammlung im Landesmuseum zu sehen, aber da in Mainz auf Dauer kein angemessener Platz für dieses kleine Museum der modernen Kunst angeboten werden konnte, entschloss sich das Ehepaar schweren Herzens, die Stadt zu verlassen. Rockenhausen am Donnersberg lud die Pachens ein, ihre Werke in einem zur Kunstgalerie umgebauten Bauernhof unterzubringen, wo sie ab September 1997 der Öffentlichkeit zugänglich sind. Soeben wurde das Sammlerehepaar für seine Verdienste um die Kunst mit der Max-Slevogt-Medaille des Landes ausgezeichnet.

Mit etwas Glück finden wir auch in der Sömmeringstraße 21 Kunst an den Wänden. Die Firma Büro-Concept zeigt in ihren Geschäftsräumen bisweilen Malerei, um die Käufer ihrer hochwertigen Möbel anzuregen, nicht nur Drucke von der Stange, sondern neue Kunst im Original zur Gestaltung von Büros, Praxisräumen und Foyers anzuschaffen. Man mag darüber streiten, ob Ladengeschäfte, Gaststätten (in der Neustadt z.B. die "Bagatelle") oder Schalterhallen von Banken die angemessene Umgebung für Kunstwerke sind. Häufig verhelfen solche Ausstellungen den Firmen zu preiswerter Dekoration der Wände und des Image. Ob ernsthafte Künstler sich darauf einlassen, wird sicher vor allem vom Gesamtkonzept und den Rahmenbedingungen abhängen.

Kunst im Stadtraum

Von der Sömmeringstraße führt uns der Weg wieder zu einigen Plastiken auf öffentlichen Straßen und Plätzen, an die sich Passanten und Anwohner längst gewöhnt haben wie an liebgewordene, mit der Zeit etwas abgestoßene und aus der Mode gekommene Möbelstücke. Als "Möblierung" wird denn auch häufig etwas abfällig bezeichnet, was im Lauf der Jahrzehnte im Rahmen der Gesetzgebung von "Kunst am Bau" auf Freiflächen aufgestellt wurde. Am Valenciaplatz konzentrieren sich Objekte dieser Art aus den späten siebziger und frühen achtziger Jahren. Der Exilrusse Wadim Kosmatschoff, der mit mehreren Arbeiten in Mainz vertreten ist, schuf eine 15 Meter hohe konstruktive Stahlplastik, die in der Kreyßigstraße am Polizeipräsidium eine Randexistenz gefunden hat. Eher im Blickpunkt des Besuchers, ja geradezu "im Weg" liegt Ernst Simons künstliche Bachlandschaft vor dem Haupteingang des Gebäudes, gleichzeitig Brunnen, Sitzgelegenheit und Platzgliederung. Einige Meter weiter, vor dem Landesrechenzentrum, stehen zwei abstrakte Gebilde aus Leichtmetall, schon etwas von Gras und Büschen überwuchert, die der Mainzer Maler und Bildhauer Heinz Prüstel geschaffen hat.

Wie Prüstel hat auch der Maler und Graphiker Gustl Stark in diesem Jahr sein achtzigstes Lebensjahr vollendet. Wir besuchen ihn in seinem Atelier am Kaiser-Wilhelm-Ring 69, Hinterhaus, das er 1962 nach umfangreichen Renovierungsarbeiten bezog. Aufgewachsen in der Feldbergstraße ist er ein echter "Neustädter", den nur das Studium und der Krieg einige Jahre in die Fremde trieben. An den Wänden des aufgeräumten Ateliers sehen wir figurative Gemälde der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre und abstrakt-strukturelle Arbeiten aus späterer Zeit, im Zentrum aber die schwere große Druckpresse, mit der er seine Prägedrucke herstellt, für die er bekannt ist. Er zeigt uns die selbstgemachten Kämme und andere Werkzeuge, mit denen die Formen in das weiche Silikon gedrückt werden, bevor es zum Relief erhärtet und als Druckstock benutzt wird. Gustl Stark zählt zu den großen Künstlern der abstrakt-konkreten Malerei in den fünfziger und sechziger Jahren, sein Name wird in der internationalen Literatur dieser Zeit häufig genannt. Dass er in der Mainzer Neustadt lebt und arbeitet, ist ein nicht zu unterschätzender Glücksfall.

Zwei Galerien

Von den Klassikern zur jungen Avantgarde! In der Nackstraße 12, Hofgebäude, im Keller einer ehemaligen Molkerei, direkt unter einem türkischen Kulturzentrum, befand sich - ja, auch dieses Kleinod der Kunstszene Neustadt besteht seit kurzem nicht mehr - die Galerie Simulakrum. Was Initiator Lars Müller hier in den weißgekachelten neonbeleuchteten Räumen über mehr als sechs Jahre vorstellte, hat Gerhard Kölsch zum fünfjährigen Jubiläum treffend beschrieben: "Ein Besuch der Galerie Simulakrum mag für manchen Kulturroutinier einem immer wieder bei Null zu beginnenden, bisweilen brüskierenden Blindgang durch unbekanntes Terrain und nach unbekannten Koordinaten gleichen." Und in der Tat war jede dortige Ausstellung ein unkalkulierbares Risiko, für Künstler und Macher ebenso wie für die Besucher. Vom Genre her vielfältig, mit einer gewissen Tendenz zu Objekt-Installationen, waren hier Malerei und Plastik ebenso wie Film, Videokunst, Musik und Performance zuhause, ohne dass man je vorher wusste, was genau einen erwartete, ob eine echte Entdeckung oder eine Niete.

Sicherer dagegen - ob dies nun wünschenswert ist oder nicht - können die Besucher der zweiten Galerie in der Neustadt sein. Nur wenige Schritte vom Simulakrum entfernt arbeitet "Vulkan: Galerie zeitgenössischer Kunst" in der Leibnizstr. 44. Die Betreiber Dr. Barbara Eschenauer, Ludwig T. Lichtenthal und Thomas Kroh haben sich in ihrem Programm seit der Gründung 1986 der figurativen Kunst und der Darstellung des Menschen und seiner gesellschaftlichen Bedingtheit verschrieben, was sich in der Auswahl von Künstlern wie Alfred Hrdlicka, Lydie Arickx, Christoph Mancke oder Annegret Soltau niederschlägt. Begleitend wurden schon Konzerte, Tanzperformances und Lesungen veranstaltet. 1995 war Vulkan maßgeblich an der Veranstaltungsserie zum 20. Todestag des Dichters, Filmregisseurs und Malers Pier Paolo Pasolini beteiligt.

Ein Holzbildhauer

Aus der Etage über der Galerie dringt der Lärm einer Kettensäge. Hans Lamb, ein junger Holzbildhauer, hat hier sein Atelier und seine Wohnung. Grob zugesägte Skulpturen hängen an der Wand des lichten Raums, teils schwarz bemalt, archaisch anmutend, aber zeitgemäße Hightech-Motive darstellend: Handys, Fernseher, Videorekorder aus Holz, aber auch seltsame Tiere, Köpfe, Hände, Arme, innere Organe, oft in Serien oder in symmetrischer Paarung und nicht ohne Ironie. Hans Lamb wohnt und arbeitet wie viele seiner Kollegen gern in der Neustadt, und er möchte am liebsten, dass Kunst nicht nur in Museen gezeigt wird, sondern z.B. auch einmal im leerstehenden Geschäft um die Ecke.

Eine Malklasse

Ein letzter Atelierbesuch auf unserem Spaziergang gilt den ganz Jungen: Boppstraße 26, natürlich wieder im Hinterhof, direkt über dem "Futternapf". Zwei Etagen sind hier von der Universität angemietet worden, um Arbeitsräume für Studenten des Fachbereichs Kunst zu schaffen. Schon im Treppenhaus riecht es nach Ölfarbe und Terpentin. Betritt man die Malklasse von Professor Friedemann Hahn, ist man sofort von Farbtöpfen, Tuben, Pinseln und anderen Utensilien umgeben. An den Wänden, auf Staffeleien oder auf dem Boden sind die verschiedensten Motive zu sehen, Porträts, Stadtlandschaften, Tiere, Abstraktes, aber alles in klassischen malerischen Techniken. Neun Studentinnen und Studenten arbeiten hier, sowohl Kunstpädagogen als auch "Freie", jeder in seiner Ecke und unabhängig voneinander, aber in Tuchfühlung. Alle zwei Wochen kommt der Professor zur gemeinsamen Besprechung, und am Semesterende werden die im Lauf der Monate bunt gewordenen Wände weiß getüncht, die besten Werke des Halbjahres aufgehängt, und es wird gefeiert. Keiner der jungen Leute kommt aus Mainz, wird uns berichtet, und wohin es sie nach dem Studium verschlägt, wer weiß das? Vielleicht bleiben einige der Neustadt treu, und in einigen Jahren führt uns ein Spaziergang wieder zu ihnen.

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